Der kommende Sonntag ist der zweite Sonntag im Mai. Muttertag! In der Liste der verhassten Feiertage wird dieser Ehrentag für die Mütter unserer Gesellschaft vermutlich nur noch von Weihnachten getoppt. Aber im Spitzenfeld der jährlich wiederkehrenden Ärgertage liegt er zweifelsohne ganz vorne. Das gilt für viele Mütter ebenso wie für viele Kinder. Wie also umgehen mit dem zweiten Sonntag im Mai?
Zunächst erscheint es ganz einfach: Wer Muttertag für sich ablehnt, der schafft ihn halt ganz einfach ab. Aber was ist, wenn die eigene Mutter Wert darauf legt? Was ist, wenn die Kinder mit einem Frühstückstablett morgens um 6 Uhr im Schlafzimmer auftauchen und man genau weiß, wie jetzt die Küche ausschaut? Was tun, wenn Freunde und Verwandte einen rund um den Muttertag fragen, wann man nun selbst endlich gedenkt, Mutter zu werden?
Aber auch anders herum ist es nicht immer ganz leicht. Wie geht man damit um, wenn man selbst zumindest einmal im Jahr ein „Danke“ hören würde? Was macht man, wenn man der Mutter zum Muttertag alles Liebe wünscht und zu hören bekommt, man solle sich lieber regelmäßig um sie kümmern statt einmal im Jahr mit einem Blumenstrauß zu kommen?
Wohin also mit all dem Ärger, wenn wieder einmal die eigenen Wünsche und Bedürfnisse so gar nicht zu dem Verhalten der Menschen im sozialen Umfeld passen? Im Grunde gilt für solche Anlässe das gleiche, das für alle Quellen des Ärgers gilt: Tief durchatmen und nicht der Versuchung aufsitzen, den anderen für den Grund des Ärgers zu halten. Ärger kommt immer aus uns selbst.
Wenn ich mich ärgere, sind nicht die anderen schuld
Speziell rund um den Muttertag kommen viele Klientinnen zu mir, die von den Erwartungen ihrer Mütter, Partner oder Kinder genervt sind. Frage ich ein bisschen genauer nach, dann landen wir häufig bei alten Verletzungen und Enttäuschungen. Sie machen es heute so schwer, unbeschwert über das gesamte Bündel an Erwartungen der anderen hinwegzusehen und ohne größere Gefühlswallungen eine klare Entscheidung zu treffen: entweder mitzuspielen und dem anderen seine Freude zu lassen oder sich abzugrenzen.
Aber was kannst du tun? Der alten Mutter die Kränkungen der Kindheit ins Gesichts zu schleudern, davor schrecken doch die meisten zurück. Mit gutem Grund. Denn der Ärger gilt ja nicht der Mutter, wie sie heute vor einem sitzt sondern der Mutter der Kindheit. Ich rate meinen Klientinnen, all ihren Gefühlen Raum zu geben, sie auszusprechen, herauszuschreien, auszutoben. Ab allein, im „stillen Kämmerlein“ oder bei mir in der Beratung. Danach hilft es, sich hinzusetzen und die Augen zu schließe. Stell dir vor, wie deine Mutter und du kleine, etwa gleichalte Kinder sind und sich über ihren Schmerz unterhalten. Nach solch einer meditativen Begegnung kann man die Mutter vielleicht mit anderen Augen sehen und ohne Ärger ihren Muttertags-Bedürfnissen entsprechen. Und wenn nicht, kann man ja noch immer auf Distanz gehen.